Luxemburg im 2. Weltkrieg


Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 stellte die luxemburgische Regierung vor eine delikate Situation. Während die Sympathie der Bevölkerung bei den Alliierten lag, sah sich die Regierung wegen der Neutralität Luxemburgs zu einer gewissenhaft neutralen Politik genötigt. 

 

Dadurch hoffte sie einen Angriff der »Deutschen Wehrmacht« abzuwenden. Ab dem 1. September 1939 stellte Radio Luxemburg seine Sendungen ein.  

 

Im Frühjahr 1940 wurden entlang der deutsch-luxemburgischen und auch entlang der luxemburgisch-französischen Grenze Barrikaden errichtet, die sogenannte ›Schusterlinie‹.

 

Sie wurde nach dem Baukonduktor Schuster benannt und bestand im Wesentlichen aus Stahlpforten an schweren Betonblöcken, welche den Vormarsch über die Straße erschweren sollten. 

 

Angesichts der Übermacht des Gegners hatte die ›Schusterlinie‹ eher einen symbolischen Charakter und diente hauptsächlich zur Beruhigung der Bevölkerung. 

 

Luxemburg besaß wegen der unbewaffneten Neutralität keine Armee oder eine Luftwaffe, sondern besaß lediglich ein kleines Freiwilligenkorps.

 

Nach mehreren Fehlalarmen im Frühjahr 1940 stieg die Gewissheit, dass es zu einem militärischen Konflikt zwischen Frankreich und Deutschland kommen würde. 

 

Um den Stahlexport der luxemburgischen Stahlwerke nach Belgien und Großbritannien zu behindern, stoppte Deutschland die Kokslieferungen an Luxemburg. Es versuchte damit, Luxemburg zu einer Deutschland-freundlichen Haltung zu zwingen, wodurch die luxemburgische Regierung in eine schwierige diplomatische Lage geriet. 

 

Zu dem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, ob Deutschland Luxemburg besetzen und anschließend annektieren würde. 

 

Invasion der Deutschen Wehrmacht

 

Am 10. Mai 1940 um 3.15 Uhr wurden die Stahltüren an der Grenze aufgrund der sich häufenden Ereignisse und Truppenbewegungen auf deutscher Seite von Mosel und Our geschlossen. 

 

In Zivil gekleidete Sonderkommandos aus Deutschland, unterstützt von der »Stoßtruppe Lützelburg«, einer Gruppierung aus in Luxemburg wohnhaften Reichsdeutschen, traten bereits vorher in Aktion. Ihre Aufgabe war das Verhindern der Sprengungen der Brücken an der Grenze, die Sperrungen der Stahltüren sowie die Unterbindung der Funkverbindungen. 

Die Ausführung dieser Aufgaben misslang allerdings größtenteils. Die großherzogliche Familie begab sich von ihrer Residenz auf Schloss Berg ins Großherzogliche Palais der Hauptstadt. 

 

Ab 4.35 Uhr fielen deutsche Truppen Uhr in Luxemburg ein. Sie stießen auf keinen nennenswerten Widerstand, da die Freiwilligenkompanie in der Kaserne geblieben war. Aufgrund der enormen militärischen Unterlegenheit hätte sie ohnehin fast nichts ausrichten können. In den frühen Morgenstunden wurde die Hauptstadt besetzt.

 

Der Gegenschlag Frankreichs erfolgte gegen 8.00 Uhr. Teile der dritten französischen leichten Kavalleriedivision (3 DLC) des Generals Petiet, verstärkt durch die erste Spahis-Brigade des Obersten Jouffrault und die zweite Kompanie des fünften Kampfpanzerbataillons (5 BCC), überschritten im südlichen Minette die Grenze, zogen sich nach kurzen Scharmützeln aber wieder hinter die Maginot-Linie zurück. 

 

Bis auf den Süden des Landes war am Abend des 10. Mai 1940 ganz Luxemburg besetzt.

 

Der Vormarsch der deutschen Truppen veranlasste die Bevölkerung des Kantons Esch-Alzette (ca. 90.000) zu flüchten: 47.000 Menschen flüchteten nach Frankreich, 45.000 ins Zentrum des Landes und in den Norden.

 

Die Großherzogin und die Regierung (mit Ausnahme von Nicolas Margue) flüchteten über Frankreich nach Portugal, später nach Großbritannien. Nur der Generalsekretär der Regierung Albert Wehrer, an der Spitze einer Regierungskommission, sowie die 41 Abgeordneten blieben zurück.

 

          

Die Politik der Nationalsozialisten in Luxemburg

 

Hatten die Luxemburger anfangs noch gedacht, dass sie sich wie im Ersten Weltkrieg mit den Besatzern arrangieren könnten, wurden sie bald eines Anderen belehrt. Die Nationalsozialisten betrachteten die Luxemburger lediglich als einen weiteren Stamm des germanischen Volkes und das Großherzogtum Luxemburg somit als germanisches Stammgebiet.

 

Am 17. Mai 1940 wurde in Luxemburg-Stadt die »Volksdeutsche Bewegung« gegründet. Ihr Vorgesetzter war Damian Kratzenberg und ihre Hauptaufgabe war es, durch Propaganda die Luxemburger zu einer Deutschland-freundlichen Haltung zu bringen, um sie »Heim ins Reich« zu führen.

 

Nachdem Luxemburg für die kurze Zeit zwischen dem 10. Mai und dem 2. August unter deutscher Militärverwaltung stand, wurde es am 29. Juli 1940 ins »CdZ-Gebiet Luxemburg« unter der Aufsicht von Gauleiter Gustav Simon eingegliedert. Simon war Leiter des »Gaues Trier-Koblenz« (später Moselland) und unterstand als Gauleiter allein Adolf Hitler.

 

Bereits die ersten Amtshandlungen Simons, eine Liste von Verordnungen, machten diese Ziele deutlich:

 

6. August 1940: Der Gebrauch der französischen Sprache wurde verboten. Das Verbot beinhaltete nicht nur Straßen- und Ortsnamen, sondern auch Ausdrücke des täglichen Gebrauchs wie »Bonjour«, »Merci«, »Monsieur«, »Madame« etc. sowie Namen von Geschäften. Französische Vor- und Familiennamen wurden durch deutsche ersetzt. Aus »Henri« wurde »Heinrich«, aus »Dupont« wurde »Brückner«.

 

Herbst 1940: Die politischen Parteien sowie die Abgeordnetenkammer und der Staatsrat wurden aufgelöst.

 

Bis Ende 1940: Die deutsche Rechtsprechung inklusive der Sondergerichte und »Nürnberger Gesetze« wurden eingeführt. Die luxemburgische Presse wurde unter die totale Kontrolle des Gauleiters gestellt.

 

           

Die Reaktion der Bevölkerung

 

Die Reaktion der Bevölkerung war anfangs noch träge, da sie sich noch unter dem Schock der deutschen Invasion von 1914–1918 befand und sich von der ins Exil geflüchteten Regierung und der großherzoglichen Familie im Stich gelassen fühlte. 

 

Die unterschiedlichen Reaktionen der damaligen Bevölkerung lassen sich wie folgt unterteilen:

 

      

Kollaborateure

 

Ein kleiner Teil der Bevölkerung, vornehmlich aus dem Umfeld der »Volksdeutschen Bewegung«, begrüßte nicht nur die Invasion der Deutschen, sondern war auch aktiv an der Zerstörung des luxemburgischen Staates beteiligt. 

 

Sie waren sozusagen Kollaborateure aus Überzeugung und wurden wegen ihrer khakifarbenen Uniform »Gielemännercher« (dtsch: Gelbmännchen) genannt. Ihr Verhalten wurde als Verrat angesehen. Zu ihnen gesellten sich noch jene, welche sich aus Opportunismus beteiligten oder äußerem Druck nachgaben.

 

      

Aktive Widerständler

 

Der »Luxemburger Widerstand« stützte sich nur auf einen kleinen Teil der Bevölkerung. Er entstand zudem spontan und anfangs eher langsam. Die ersten Gruppierungen bildeten sich 1940/1941. Sie arbeiteten ohne Koordination und aus unterschiedlichen Beweggründen.

 

Auch die verbotene »Kommunistische Partei Luxemburgs« schloss sich dem Widerstand an. Erst im März 1944 schlossen sich die meisten der Widerstandsgruppen in einer Union der Widerstandsgruppen zusammen. 

 

Die Aktionen beschränkten sich hauptsächlich auf psychologische Kriegführung und weniger auf bewaffneten Widerstand. 

 

Viele junge Luxemburger schlossen sich den französischen und belgischen Untergrundbewegungen an. Das Hauptverdienst der Bewegungen, das nicht unterschätzt werden sollte, war die moralische Unterstützung der Bevölkerung, etwa durch Verteilen von Flugblättern oder durch Wandgraffiti, aber auch durch Verstecken von Wehrdienstverweigerern und anderen Verfolgten.

 

        

Großteil der Bevölkerung

 

Der Großteil der Bevölkerung verzichtete angesichts der Brutalität des Regimes auf Widerstand, versteckte allerdings nicht völlig seine Missbilligung und Ablehnung gegenüber den Besatzern. Dies kam vor allem in kleineren, subtilen Sticheleien, aber auch in großen Aktionen zum Ausdruck:

 

Beim imposant inszenierten Aufmarsch der deutschen Polizeikräfte in Luxemburg am 6. August 1940 trugen viele Luxemburger eine Spindel mit dem »Roten Löwen« am Kragen. Diese Spindel stammte von den Feierlichkeiten zur hundertjährigen Unabhängigkeit des Landes ein Jahr zuvor. 

 

Schlägertrupps verprügelten daraufhin die Träger.

 

Am 21. Oktober 1940 wurde in der Hauptstadt das Kriegsmahnmal für die gefallenen luxemburgischen Soldaten im Ersten Weltkrieg aufseiten der Franzosen, die »Gëlle Fra«, abgerissen. 

 

Dies geschah unter Protest von Hunderten Menschen, welche von der Gestapo brutal auseinander getrieben wurden. 13 Personen wurden verhaftet. Es war das erste Auftreten  der ›Gestapo‹ in Luxemburg.

 

Am 10. Oktober 1941 wollte der Chef der Zivilverwaltung, Simon, eine Personenstandsaufnahme durchführen lassen. Bei drei Fragen zur ›Staatsangehörigkeit‹, ›Sprache‹ und ›Volkszugehörigkeit‹ sollten die Luxemburger »deutsch« und nicht »luxemburgisch« angeben. 

 

Bei Stichproben, die einige Tage vorher durchgeführt wurden, stellte sich heraus, dass über 95% der Befragten diese Anweisung nicht respektiert hatten. 

 

Sehr schnell wurde dieses Ereignis zu einem Referendum hochstilisiert, »wo d’Letzebuerger vollek (...) dem Preiss en énegt Nen gesôt huet«. 

 

Paul Dostert hat überzeugend nachgewiesen, warum das Wort ›Referendum‹ propagandistisch sinnvoll, jedoch analytisch falsch ist.

 

Nach der Einführung des »Reichsarbeitsdienstes« (RAD) und der allgemeinen Wehrpflicht für die Jahrgänge 1920 bis 1927 kam es ab dem 31. August 1942 zu Streiks. 

 

Ausgangspunkt waren Arbeitsniederlegungen im Betrieb der IDEAL Lederwerke AG, Wilz, die sich auf das übrige Land ausbreiteten. Das Naziregime reagierte mit äußerster Brutalität. 21 Streikende wurden erschossen, andere in Konzentrationslager gebracht. Das Ereignis erlangte auch im Ausland große Beachtung.

 

Etwa 40% der zwangsweise Eingezogenen (»Zwangsrekrutéierten«) tauchten unter. Etwa die Hälfte im Lande selbst, der Rest flüchtete ins Ausland. Jene, welche es nach England schafften, schlossen sich den Alliierten an. Sie nahmen später als Bataillon innerhalb der belgischen »Brigade Piron« an der Landung in der Normandie teil.

 

                

Das Terrorregime

 

Angesichts der Reaktionen aus der Bevölkerung sah sich das Regime veranlasst, mit äußerster Brutalität gegen jede Form von Widerstand vorzugehen. Nach dem Generalstreik von 1942 verhängte Simon den Ausnahmezustand über ganz Luxemburg und ließ ein Standgericht einrichten. 

 

Tausende wurden verhaftet und gefoltert. Hunderte starben in den Konzentrationslagern. Ganze Familien wurden umgesiedelt, vorzugsweise nach Schlesien. 

 

An ihre Stelle traten deutsche Familien aus Südtirol und aus dem Südosten Europas. Zum Symbol des Naziterrors wurde die »Villa Pauly«, welche als Hauptquartier der ›Gestapo‹ in Luxemburg diente.

 

     

Die Befreiung

 

Im September 1944 wurde Luxemburg von den Amerikanern befreit. Am 10. September zogen sie in die Hauptstadt ein. Die Deutschen zogen sich ohne Kämpfe aus dem Land zurück. 

 

Die Westalliierten waren am 6. Juni 1944 (»D-Day«) in der Normandie gelandet. Nach der fast kampflosen Kapitulation von Paris (25. August 1944) kamen die Alliierten sehr schnell nord-ostwärts voran. 

 

Ein Meilenstein war der »Kessel von Mons« (2. September 1944).

 

Ab dem 3. September schwenkte die 1. US-Armee nach Osten mit dem Ziel, Übergänge über die Mosel zu erobern und die Lücke zwischen ihr und der 3. US-Armee zu schließen. 

 

Sie kamen fast kampflos voran. Ein Problem in diesen Tagen war Treibstoffmangel, welcher durch die »Operation Red Ball Express« behoben wurde.

 

»Red Ball Express« war der Codename für eine der größten logistischen Operationen des Zweiten Weltkriegs. Er bestand aus einer Flotte von 5.958 Lastkraftwagen und Anhängern, die über 412.000 Tonnen Munition, Nahrung und Kraftstoff zwischen dem 25. August und 16. November 1944 zu den alliierte Armeen an der westeuropäischen Front lieferten.

 

Während der Ardennenoffensive im Dezember 1944 wurde der Norden Luxemburgs (Ösling und Region um Echternach) nochmals von den Deutschen besetzt. Im Januar 1945 erfolgte die zweite Befreiung durch US-Truppen. Die Zerstörungen infolge der Kämpfe waren enorm.

 

           

Kriegsbilanz

 

Insgesamt starben 5.703 Einwohner Luxemburgs während des Zweiten Weltkrieges. Das entspricht 1,9 % der damaligen Bevölkerung (290.000).  

 

Etwa ein Drittel der Häuser wurden durch Kriegshandlungen beschädigt.