Die Kelten in der Region


Der Begriff »Kelten« geht zurück auf griechische Überlieferungen bei Herodot und anderen Autoren aus dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus. Bei ihnen wurden die Stämme im Verbreitungsgebiet von den Quellen der Donau bis zum Hinterland von »Massilia« (Marseille) als »keltoi« bezeichnet werden. 

 

Zunächst wird damit die sprachliche Gemeinschaft des keltischen Astes der indogermanischen Sprachen beschrieben. Diese Gemeinschaft wurde als solche sehr unbestimmt von den Kulturen des Mittelmeerraumes wahrgenommen. Im Bereich dieser frühgeschichtlichen und sprachlichen Wahrnehmung versucht auch die Archäologie, eine keltisch geprägte Kultur zu erfassen.

 

Je nach Fachgebiet oder Sichtweise bedeutet der Begriff »Kelten« entweder Siedlungsgemeinschaften mit einer ähnlichen materiellen Kultur (archäologische Definition), denselben Gebräuchen und Glaubensvorstellungen (ethnologische Definition) oder einer mittel- und westeuropäischen Sprachengemeinschaft (sprachwissen-schaftliche Definition). 

 

Im Falle der Kelten kommt zur Verwirrung um die Bezeichnung »keltisch« noch hinzu, dass griechische und römische Schriftsteller sowohl zeitlich wie auch räumlich nur einen Teil der archäologisch, ethnisch oder sprachlich als »keltisch« angesehenen Völker kannten und entsprechend einheitlich benannten, weil sie diese als zusammengehörend wahrnahmen.

 

Erschwert wird die Bestimmung durch das fast vollständige Fehlen von Schriftzeugnissen der als keltisch angenommenen Kulturen aus der Zeit vor der Romanisierung ihrer Siedlungsgebiete. So erschließen sich Kenntnisse über die frühen keltischen Kulturen hauptsächlich über archäologische Funde und einzelne allgemein gehaltene Berichte griechischer und römischer Chronisten.

 

Als gesichert kann dagegen gelten, dass die Kelten nie eine geschlossene Ethnie, das heißt, ein geschlossenes Volk bildeten, allenfalls kann von zahlreichen unterschiedlichen ethnischen Gruppen mit ähnlicher Kultur gesprochen werden.

 

Ebenso gab es zu dieser Zeit auch keine Nation im neuzeitlichen Sinne, sondern nur verwandte Volksstämme. Die kulturelle Gemeinsamkeiten hatten sich von den Nachbarvölkern unterscheiden, was zum Beispiel von Römern wie Tacitus in der »Germania« oder Caesar im »Gallischen Krieg« beschrieben wird.

 

Die keltischen Sprachen bilden eine eigene indogermanische Sprachgruppe, während die Archäologie bei den keltischen Stämmen in Mitteleuropa vom Norden Spaniens bis nach Böhmen kulturelle Gemeinsamkeiten während der mittleren und jüngeren Eisenzeit (zwischen 800 und etwa 50 v. Chr.) sieht.

 

Die von antiken Autoren als Κέλτοι (keltoi), celtae, galli und Γαλάται (galatai) bezeichneten Stammesgruppen der antiken keltischen Stämme werden dabei zumeist mit der so genannten Hallstatt-Kultur und der Latène-Kultur in Zusammenhang gebracht.

 

Die kontinuierliche Entwicklung aus den ansässigen bronzezeitlichen Kulturen Mitteleuropas, insbesondere der spätbronzezeitlichen Urnenfelderkultur ist – entgegen allen älteren Mutmaßungen – heute zweifelsfrei belegt.

 

Einige Autoren verwenden den Keltenbegriff lediglich für die sogenannte klassische keltische Epoche. Diese wird ebenfalls mit der späten Hallstatt-Kultur (HaD, um 650 bis 475 v. Chr.) und mit der Latène-Kultur (ca. 475 bis 50 v. Chr.) gleichgesetzt. 

 

Die Namen der hier genannten archäologischen Kulturen leiten sich von zwei Fundorten, dem Gräberfeld von Hallstatt am Hallstätter See in Oberösterreich und dem Fundort La Tène am Neuenburgersee in der Westschweiz ab.

 

An beiden Fundorten wurden Mitte des 19. Jahrhunderts reiche Funde gemacht, auf deren Basis eine erste Chronologie der Hallstatt- und Latènekultur vorgenommen wurde. 

 

  Vorrömische Eisenzeit    

 

  Hallstattzeit

 

  Ha C

  800–620 v. Chr.  

  Ha D1–D3

  620–450 v. Chr.

  Latènezeit

 

  LT A

  450–380 v. Chr.

  LT B

  380–250 v. Chr.

  LT C

  250–150 v. Chr.

  LT D

  150 v. Chr.–15 n. Chr.  

 
   

Hallstatt-Kultur

 

Die Nennung der Kelten und deren Lokalisierung fällt mit der eisenzeitlichen Späthallstattkultur in Mitteleuropa zusammen. Diese Kultur hatte sich seit etwa 800/750 v. Chr. in einer Region zwischen Ostfrankreich und Österreich mit seinen angrenzenden Ländern aus den ansässigen spätbronzezeitlichen Urnenfelderkulturen entwickelt.

 

Die Hallstattkultur reichte von Slowenien über Österreich, das nordwestliche Ungarn, die südwestliche Slowakei, Tschechien, Süddeutschland, die Schweiz bis nach Ostfrankreich.

 

Der gesamte Bereich wurde 1959 von Georg Kossack in einen Ost- und Westhallstattkreis unterschieden. Der Westhallstattkreis reichte von Ostfrankreich, Mittel- und Süddeutschland über die Schweiz bis nach Mittelösterreich.

 

Der Osthallstattkreis umfasste Nordösterreich, Südmähren, die Südwest-slowakei, Westungarn, Kroatien und Slowenien.

 

Ost- und Westhallstattkreis unterschieden sich vor allem hinsichtlich der Siedlungsweise und der Bestattungssitte.

 

Im Westhallstattkreis herrschten große befestigte Höhensiedlungen, die von kleineren, weilerartigen Siedlungen umgeben waren, vor. Im Osthallstattkreis dominierten kleinere befestigte Herrenhöfe.

 

Wurden im Westen wichtige Persönlichkeiten mit Schwert (HaC) oder Dolch (HaD) bestattet, so gab man ihnen im Osten eine Streitaxt mit ins Grab. Im Westen gab es reiche Wagengräber, während der Krieger im Osten mit seiner kompletten Bewaffnung, inklusive Helm und Brustpanzer beerdigt wurde.

 

Die späte Hallstattkultur (HaD, etwa 650 bis 475 v. Chr.) ist berühmt für ihre reich ausgestatteten Prunk- oder Fürstengräber, die in Süddeutschland und Burgund, hier in Hochdorf an der Enz und Vix gefunden wurden, sowie für Panzergräber (Männergräber mit vollen Waffenbeigaben) im Osten von Ostbayern bis Slowenien.

 

Enge Handelsbeziehungen zum griechischen Kulturkreis, insbesondere zur Kolonie Massilia/Marseille, sind nachgewiesen, wobei die hallstattzeitliche Bevölkerung im heutigen Ostfrankreich, entlang der Rhône und Saône, eine Schlüsselposition für die Entwicklung der mitteleuropäischen Hallstattkultur eingenommen haben dürfte.

 

In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts gerieten die Gesellschaften am nördlichen und westlichen Rand der Hallstattkultur zunehmend unter deren Einfluss, übernahmen einen Teil ihrer Sitten und wurden ins hallstättische Beziehungsnetz eingebunden, wobei die Hunsrück-Eifel-, Saarland- und die Champagne-Marne-Region im Westen sowie die Gegend um den Dürrnberg (Hallein) in Österreich bei dieser Entwicklung eine besondere Rolle einnahmen. 

 

              

Latène-Kultur

 

Der Hallstattkultur folgt die Latène-Kultur (ab ca. 480 v. Chr. bis 40/1 v. Chr., je nach Region), deren Kunststile durch mediterrane und osteuropäische Vorbilder (etruskische, griechische und skythische Einflüsse) geprägt sind. Die Latènezeit stellt die letzte Blüteperiode keltischer Kultur dar.

 

Die Latène-Kultur selbst lässt sich grob in drei Phasen gliedern, die – je nach Region – unterschiedlich deutlich fassbar werden und deren zeitlicher Ansatz regional um etwa ein bis zwei Generationen variieren kann:

  • Frühlatène (ca. 480/450 bis ca. 300 v. Chr.)
  • Mittellatène (ca. 300 bis 150 v. Chr.)
  • Spätlatène (ca. 150 bis ca. 50 v. Chr., regional bis zur Zeitenwende)

       

Frühlatène – Prunkgräberhorizont

 

In der Frühlatènezeit setzt sich die Blüte der materiellen Kultur der Hallstattzeit fort, jedoch verschieben sich die kulturellen Zentren aus vielfältigen Gründen aus dem süddeutschen Raum nach Norden, Westen und Osten.

 

Neben kriegerischen Konflikten, für die es keine stichhaltigen Belege gibt, werden Umweltprobleme im Umfeld der hallstattzeitlichen Höhensiedlungen genannt. Eine weitere Theorie geht davon aus, dass die Etrusker – in Konkurrenz zu den griechischen Kolonien in Südfrankreich – alternative Handelsrouten nach Norden und Richtung Atlantik erschlossen und dabei zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in der weiteren Mittelrhein- und Champagne-Marne-Region beitrugen.

 

Der neue Reichtum hätte dann für einige Generationen seinen Niederschlag in den Gräbern gefunden. Hinweis auf einen verstärkten Einfluss aus dem Mittelmeergebiet könnte auch der drastische Stilwandel vom eher geometrisch-abstrakten Stil der Hallstattzeit zum stärker naturalistisch-figürlichen Stil der Frühlatènezeit sein.

 

Aus den Regionen Champagne-Marne, Hunsrück, Eifel und Saarland sind für die Frühlatènezeit zahlreiche sogenannte Prunkgräber bekannt. Auch östlich davon existieren in Franken und Böhmen reich ausgestattete Bestattungen und große befestigte Siedlungen der frühen Latènezeit.

 

Die Bestattungen hochgestellter Personen dieser Zeit weisen reiche Grabbeigaben auf, die sich vor allem durch im Latènestil verzierte Wagen, Schmuck (häufig Gold), Waffen sowie Importe aus dem Mittelmeerraum auszeichnen.

 

Die seit der Hallstattzeit bekannte Sitte, Grabhügel oder Grabbezirke mit Steinen oder Stelen zu kennzeichnen, entwickelte sich in der Frühlatènezeit in seltenen Einzelfällen (etwa am Glauberg) zu fein ausgearbeiteten Statuen mit menschlichen Zügen weiter.

 

Die Statuen vom Glauberg weisen Details auf (Mistelblattkrone und Dolch), die exakt mit Grabbeigaben von Bestatteten übereinstimmen.

 

Die Statuen können daher als Versuch einer Abbildung des Verstorbenen angesehen werden, deren Funktion über die bloße Kennzeichnung der Grabstätte weit hinausgegangen sein dürfte. Vorbild dieser Statuen könnten griechisch-etruskische Grabmäler sein.

 

Vor allem in den genannten Frühlatènezentren, aber auch darüber hinaus, wurden zusätzlich zahlreiche Gräber aus anderen sozialen Schichten sowie vereinzelte kleinere Siedlungen ergraben. Gold- und Feinschmiede- sowie Steinmetzarbeiten, aber auch die wenigen erhaltenen Holzskulpturen (Fellbach-Schmiden) im Latènestil zeugen von hoher technischer und künstlerischer Fertigkeit.

 

Gut erforschte Beispiele für Prunkgräber der Frühlatènezeit sind die Gräber vom Glauberg, Waldalgesheim und Reinheim im Saarland an der Deutsch-Französischen Grenze.

 

Während am West- und Nordrand des keltischen Kulturraumes die Sitte reich ausgestatteter Prunkgräber blühte, setzten weiter südlich und östlich die keltischen Wanderungen ein.

 

Obwohl die Zeit der keltischen Wanderungen meist mit der Mittellatènezeit gleichgesetzt wird, begannen erste Wanderungsbewegungen schon früher. Hierin werden wahrscheinlich regionale Unterschiede deutlich.

 

Die größte Ausbreitung erreichten die keltischen Stämme um 200 v. Chr. Im Nordwesten ihrer Siedlungsgebiete, d.h. im weitesten Sinn im Bereich der nördlichen, rechtsrheinischen Mittelgebirge, verschwand die keltische Kultur nach und nach während des 1. Jahrhunderts v. Chr. wohl als Folge des Vorrückens germanischer Stämme nach Süden. 

 

                 

Kelten und Römer – gallo-römische und norisch-pannonische Kultur

 

Völlig anders gestaltet sich die Situation im römischen Einflussbereich. Nach Eroberung des nördlichen Voralpenraums und Galliens durch die Römer unter Caesar (in Gallien) bzw. unter Augustus (in Rätien) setzten zunächst große Teile der keltischen Kultur in Gallien, zu dem das heutige Saarland und die linksrheinischen Gebiete von Rheinland-Pfalz gehörten, durch.

 

Südlich der Donau in den nun römischen Provinzen Rätien, Noricum und Pannonien sowie in einer Übergangszone zwischen römischem und germanischem Einflussbereich, die vom Taunus und der unteren Lahn über das nördliche Hessen bis ins nördliche Bayern reichte, setzte sich die keltische Kultur fort.

 

In den von den Römern eroberten Gebieten verschmolzen nach der Zeitenwende mit zunehmender Romanisierung keltische und römische Kulturelemente zur relativ eigenständigen gallo-römischen Kultur im Westen und der norisch-pannonischen Kultur im Osten. Einzelne Elemente der keltischen Kultur lebten dort bis in die Spätantike fort.

 

Linksrheinisch kam es Mitte des 3. Jhdt. n. Chr. zu ersten Plünderungszügen germanischer Gruppen. Nach Aufgabe des Limes um 260 und Verlegung der Grenze an den Rhein konnten die Provinzen trotz wiederholter germanischer Überfälle relativ stabilisiert und noch bis zum Ende des weströmischen Reiches gehalten werden.

 

In der ersten Hälfte des 4. Jhdt. erlebten die linksrheinischen Provinzen und damit die gallo-römische Kultur mit der Etablierung Triers als Kaiserstadt eine letzte Blüte und Stabilität. Ein Bevölkerungsrückgang auf dem Land ist wahrscheinlich, aber in den befestigten Orten südlich einer Linie Köln – Boulogne-sur-Mer blieb die gallo-römische Bevölkerung ansässig.

 

Seit dem 3. Jhdt. waren nördlich dieser Linie fränkische Gruppen angesiedelt worden, deren Oberhäupter nach und nach Führungspositionen im spät-römischen Heer einnahmen.

 

Es folgten Einwanderungen fränkischer Familien in die gallo-römischen, jetzt romanisch genannten Gebiete, die wahrscheinlich mehr und mehr die Oberschicht bildeten, die einheimische Bevölkerung aber nur überlagerten, nicht verdrängten.

 

Nach dem Ende des weströmischen Reiches konnten die fränkischen Könige, die sich in der Nachfolge des Römischen Reiches sahen, am Rhein und in Gallien auf die von Gallo-Römern (Romanen) getragenen lokalen und regionalen Verwaltungsstrukturen, die teilweise noch funktionierten, zurückgreifen.

 

Im Westen wurden die fränkischen Neusiedler nach und nach romanisiert, während im Osten bis zum Rhein die romanische, im Ursprung gallo-römische Bevölkerung in den folgenden zwei Jahrhunderten zunehmend germanisiert wurde, also die Sitten und Sprache der zugezogenen Franken mehr und mehr übernahm.

 

Das in römischer Zeit eingeführte Christentum überstand in den meisten Regionen südlich der oben genannten Linie den Kulturwandel. Letzte Reste der gallo-römischen Kultur hielten sich in der Moselregion durch sprachliche Sonderformen und Sitten bis ins Hochmittelalter.

 

Zwischen Mittelrhein und Alpen gehen zahlreiche heute noch gebräuchliche Orts-, Gelände- und Gewässernamen auf keltische Bezeichnungen zurück und zeugen von einem gewissen Maß der Übernahme keltischer Kultur- und Sprachelemente durch während und nach der Völkerwanderungszeit neu entstehende Bevölkerungsgruppen.

 

Daraus jedoch auf eine bis heute anhaltende Kontinuität einer keltischen Bevölkerung in diesen Regionen zu schließen, wäre wohl zu hoch gegriffen.